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Was f​ü​r Land, welch ein M​ä​nner

by Ninamarie

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1.
2.
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Käsejunge 03:49
4.
Die Geister 03:41
5.
An der Hand 04:34
6.
Es strahlt 02:37

about

Jahresende. Schon wieder! Der Hund verkriecht sich unter dem Sofa, die ersten Notfälle mit abgerissenen Fingern werden eingeliefert, der Butler stolpert über das Bärenfell. Same procedure as every year! Wenn das Jahr sich neigt, stellen sich so manche die Frage: Was tun mit dem Abend? Rambo Zambo oder Sylvester Alone? Zum Dinner for one gehören immer noch zwei und so kam es dereinst, dass zwei notori-sche Silvestermuffel sich zusammen taten auf der Suche nach einer Abendgestaltung ohne Bleigießen und Polonäse Blankenese. Statt zu böllern, lassen sie es seither lieber im Übungsraum krachen. So entsteht, nicht jedes Jahr, aber alle Jahre wieder, eine neue Veröffentlichung von NinaMarie. Thomas Götz, seines Zeichens Trommler von den Beatsteaks und Marten Ebsen, bekannt als Gitarrist von Turbostaat, bilden diese Formation seit 2004. Nach einem gemeinsamen Konzert ihrer Bands lernten sie sich an einem De-zemberabend in Kiel kennen und entdeckten dabei nicht nur die geteilte Aversion gegen Jahresüber-gangsfeiern, sondern auch das Interesse an musikalischer Kooperation. NinaMarie sollte fortan das Wunschkind heissen, das aus dem Seitensprung der beiden Musiker entstand.

Kalendersprüche. Wieder also ein Jahr vorbei, der neue Kalender hängt an der Wand mit seiner gehei-men Aufforderung, dass es doch weitergehen muss. Was hinter einem liegt ist immer irgendwie schrecklich, je länger man es betrachtet. Zwei Anni horribiles, die Flüsse treten über die Ufer, Seuchen machen sich breit, bad news, fake news, aufgehetzte Smileys und jede Menge Memes, jene unsäglichen Kalendersprü-che unserer Tage! Kann man in einem derart aufgeheizten Klima einen besinnlichen Rückblick, gar einen Ausblick wagen? Subjektive Sichtweise einfach mal gewähren lassen, statt sie tot zu diskutieren? In einer Welt, in der die Sprache, wird sie zum Ausdruck des Unmuts, vollends vergiftet erscheinen mag, erweist sich glücklicherweise die Poesie als Rettungsring in einem Meer unerträglichen Gesülzes. Wo sich andern-orts die Postulate der medialen Marktschreier überschlagen, wählen NinaMarie für ihre Lyrics nur selten die Form der Exklamation und wenn, stets nur da, wo Klartext herrschen muss: „Lass mich los, Du dummes Land!“
Stattdessen eher offene Fragen, die keine Antworten verlangen. Fragen an die Vergangenheit, die Ge-genwart, die Zukunft. Aus ganz persönlicher Sicht. Fragen, die verstehen kann wer will – und nicht wer muss. Gleich der Opener „Nackt im Spind“ wühlt in einer offenen Wunde; bekundet ein Unbehagen in Vaterland und Muttersprach’. Sozialisierungstypische Höllenzitate und die Dämonen der Deutschtümelei werden hier exemplarisch ausgetrieben. Der Geist von Billy Mo bringt alles unter einen Tirolerhut: Volk oder Brut, während Moderator Michael Schanze als weitere Schattierung der Vergangenheit zur Positio-nierung ausruft. Doch so klar umrissen Geografie und Generation, so angenehm vieldeutig bleibt es doch textlich. Wer nicht in den Schuhen der Väter wandern will, muss sich aus den losen Enden eben selbst die Senkel schnüren. „Was für ein Land - Welch ein Männer!“ kann man mit extrabreiter 3-D Brille oder ohne hören und man kann es so oder so verstehen.


Musikalisch schwingen bei NinaMarie die Signale der Mutterschiffe der beiden Musiker unvermeidlich mit. Dennoch verbinden sich hier musikalische Gewissheiten mit ungewöhnlichen Arrangements und einem sel-ten gewordenen Mut zur Melodie, Mut zu breit angelegten Harmonien und Kadenzen, die jedoch nie ins Süßliche kippen. Vielmehr drohen sie hier und da abzuschmieren und in einer Pfütze aus dem post-punkigem Lärm zu landen, aus dem sie erstanden sind. Die Texte scheinen sich auf der musikalischen Ober-fläche zu spiegeln, vieles wirkt im Zusammenspiel wie ein erneuter Blick eines Zeitreisenden aus dem eige-nen Jugendzimmer, in dem sich auf dem Plattenteller eben noch eine Scheibe von Dischord drehte, wäh-rend im Hintergrund das Atomkraftwerk schon seinem eigenen Abschalttermin entgegen strahlte und der Postpunk plötzlich nach Harmonien suchte. Eine Möglichkeit, Pop neu zu denken.
So rettet sich auch der in den Stücken von NinaMarie enthaltene Pop aus dem Dilemma der genretypi-schen Oberflächlichkeit und Vergänglichkeit. Pop ist hier eher eine Frage, also: „Pop?“. Die Antwort lautet Rock. Nur um die Frage nach Rock in einem Track wie „Käsejunge“ wieder mit hemmungslosem Popanlei-hen zu beantworten. Poprock eben. Nur unter anderen Voraussetzungen. Was als Genre vielfach ver-pönt, straft hier dem anhaftenden schlechten Ruf Lügen. Sind erst Pop und Rock mit allen Wassern gewa-schen, kann dabei ganz beiläufig die Aktualisierung eines Genres stattfinden, wie man es sich in der Form vielleicht schon längst herbeigesehnt hat. NinaMarie liefern den Schlüssel zu einer längst verschlossenen Schublade. Poprock neu gedacht. Im positivsten Sinne. (Diego Castro)

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released June 17, 2022

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Rookie Records Hamburg, Germany

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